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Zurück zur Normalität der Imperialen Lebensweise

Start der Lesewerkstatt 2020 in den Internationalen Gärten Dresden

verfasst am 19. Mai 2020 von Christian

D
ie vergangenen Wochen haben unsere Normalitäts­vor­stellungen und unseren Alltag gehörig aus dem Gleich­gewicht gebracht. In vielen zukunfts­gewandten gesell­schafts­politischen Diskursen keimte die vorsichtige Hoffnung auf, dass das kollektive Pandemie­erleben eine trans­forma­tive Kraft freisetzt und die Tür für einen gesell­schaft­lichen Wandel - zumindest einen Spalt weit - aufstößt. Doch spätestens mit den Diskussionen zur Wieder­aufnahme der Bundesliga, der schnellen Wieder­eröffnung von Auto- oder Möbel­häusern oder einer neuen Abwrack­prämie drängt sich nun rasch wieder die alte Normalität vor diesen Türspalt und erinnert uns daran, welche Prioritäten unsere Gesell­schaft setzt und welche Maß­nahmen hier­zulande offen­sichtlich mehrheits­fähig sind. Sicher, die Bänder müssen wieder laufen. Tat­sächlich hat die Krise aber schon von Beginn an offengelegt, wo die gesell­schaftlichen Schief­lagen besonders ausgeprägt sind und wo wir - ohne uns dagegen wirklich auflehnen zu wollen - besonders auf ihren Fort­bestand ange­wiesen sind. Denn es ist nicht der öffent­liche App­laus, den die Angestellten an der Super­markt­kasse oder in der Sorge-Arbeit dringend benötigen. Es ist auch nicht die besondere Reise­freiheit, über die sich Ost­europäer­Innen freuen, wenn Sie den guten Deutschen Spargel ernten. Und vor allem ist es nicht der kurze Arbeits­weg aus den Gruppen­unter­künften in die hiesigen Schlacht­höfe, der den Job für die rumänischen oder bulgarischen Arbeiter­Innen so attraktiv macht. Wir sind wirt­schaft­lich darauf ange­wiesen, die Risiken auf uns zu nehmen, dass andere die öko­logischen und sozialen Kosten für unsere Lebens­weise tragen. Dabei wollen doch alle nur wieder schnell zurückkehren zur Normalität.


Lesewerkstatt 2020 - Imperiale Lebensweise: Zur Ausbeutung von Mensch und Natur im globalen Kapitalismus

Um Normalität soll es auch in der diesjährigen Lesewerkstatt gehen. Normalität, das ist nämlich auch das, was Ulrich Brand und Markus Wissen mit dem Begriff der Imperialen Lebensweise umschreiben. Diese ist im Ansatz der beiden Autoren nicht nur eine schlichte Kritik an individuellen Wohlstandsvorstellungen des globalen Nordens und der damit verbundenen (Konsum-)Präferenzen, sondern auch ein Instrument zur Analyse und Beschreibung unserer gesellschaftlichen Institutionen. Denn diese ermöglichen es überhaupt erst, dass wir unsere persönlichen Vorlieben trotz ihrer negativen ökologischen und sozialen Folgen im inneren unserer Normalitätsgemeinschaft verwirklichen können. Die Imperiale Lebensweise ist unsere alltäglich Normalität, die alle Lebensbereiche durchdringt und deren Versprechen ein verlockendes, aber womöglich leeres Versprechen der Freiheit ist.
Die Lesewerkstatt widmet sich in sieben Sitzungen der Argumentation des Buches von den historischen Wurzeln der Imperialen Lebensweise über die aktuellen Entwicklungsprogramme unserer Gegenwart hin zu Überlegungen einer anderen, solidarischen Lebensweise.
Wir freuen uns über euer Interesse, eure Teilnahme und auf eine spannende Lektüre.